Ich gebe zu, das klingt ein bisschen dramatisch. Ja, vielleicht sogar absolut übertrieben. Denn wie soll ein kleiner Stoffbeutel mit Lavendelblüten gefüllt Leben retten? Die kurze Antwort lautet: mein Sohn hat dieses Säckchen im Kindergarten bemalt, mit frischen Blüten aus dem eigenen Kindergartengarten befüllt und mir dann als Geschenk überreicht.

Seitdem habe ich es immer in meiner Handtasche dabei. Manchmal sehe ich die bunten Farben herausblitzen, manchmal zieht unvermittelt ein feiner Lavendelduft in meine Nase. Häufig dann, wenn ich in Gedanken versunken in meiner Tasche krame, das Handy rausziehe oder mein Portemonnaie suche. Automatisch halte ich dann kurz inne. Atme ein und atme aus.

 

Oftmals sind es die kleinen, feinen, zarten Dinge, die uns mitten im Alltag berühren. Die uns auf der Stelle – zumindest für einen Moment – aus einer schwierigen Situation oder einer dumpfen Stimmung herausholen können. Die etwas verändern. Die uns innehalten lassen. Im Alltagsgetümmel dieses liebevoll bemalte Säckchen zu sehen lässt mein Herz hüpfen, löst Freude aus. Oder rettet mir das Leben!

 

 

Also, es war so: im Sommer war ich mit meiner Freundin auf einem wunderschönen, entspannten, kleinen, feinen – nein, nicht Lavendelsäckchen, sondern Bandfestival in Deutschland. Tolle Bands, guter Wein, erstaunlicherweise kein Bier und sehr entspannte, sympathische Menschen. Kurz nach Mitternacht, als die letzten Töne der Band verklungen waren, standen wir zu viert unter einem stürmischen, dunkelverhangenen Himmel. Wir tranken den letzten Wein und bis auf mich rauchten alle genüßlich eine Zigarette. Mitten im Gespräch zog ich unbewusst mein Lavendelsäckchen aus der Tasche und schnupperte hinter vorgehaltener Hand daran. Anscheinend nicht sehr dezent ausgeführt, denn es erhob sich großes Gelächter in der Runde. „Recht hast Du, wenn wir Dich hier alle zustinken, Dich mit dem Duftsäckchen vor dem Zigarettenqualm zu retten!“ Es war mir unangenehm. Kurz – dann lachte ich schließlich über mich selbst. Bald darauf brachten wir uns vor einem apokalyptisch anmutenden Wolkenbruch in Sicherheit und sprangen in ein Auto. Regen und Blitzgewitter wollten nicht enden, unsere Hotels waren 10 km entfernt, Auto fahren nicht mehr vernünftig und so ertönte der Ausruf: „Was soll uns schon passieren? Zur Not haben wir ja immer noch das Lavendelsäckchen!“

 

Das Lavendelsäckchen liegt immer noch in meiner Tasche. Vor einer Woche habe ich Freunde am Wörther See besucht und in ihrem kleinen Garten frischen Lavendel gepflückt. Während der Freund in der Abendsonne am Grill stand und nebenher genüßlich eine Zigarre rauchte und die Freundin in der Küche liebevoll im Salat rührte, saß ich daneben direkt am See auf einem Liegestuhl und habe die einzelnen Lavendelblüten abgepflückt und sie in den bunten Stoffbeutel getan. Eine feine Tätigkeit, die Zeit und Geduld braucht. Nun erinnert mich das Säckchen an Zeit haben, an letzte Sommerabende mit Grillen und das stille, feine Glück mit meinen Freunden am Wörther See.

Wenn DAS an verregneten, dunklen Tagen nicht Leben retten kann – was dann?

 

Was rettet Dir manchmal das Leben im Alltag?

Ich freue mich von Euch zu lesen.

 

Mit lieben Herbstgrüßen, Vivian Mary Pudelko

Foto: Vivian Mary Pudelko