Es muss noch nicht mal etwas Weltbewegendes passieren, um an manchen Tagen in einen Zustand von Unglück, Zerfaserung und Berstenwollen zu kommen. Das kann plötzlich ganz schnell gehen, vor allen Dingen als Mutter, als Vater, als Tochter, als Sohn, als Pflegende, Versorgende. Immer dann, wenn wir natürlicherweise für andere Menschen sorgen und für sie da sind. Oftmals wie selbstverständlich Dinge checken und organisieren. Essen zubereiten, einkaufen, putzen, ordnen, den Überblick behalten. Und ganz wichtig: wenn wir viel zuhören und wenn wir trösten.

Manchmal ist es einfach nur die Kombination aus mehreren kleinen Ereignissen, die das unbändige Gefühl auslösen, dass es im Leben überhaupt nicht mehr um einen selbst geht. Dass wir rennen, reden, tun und machen – und es sogar dann nicht genug ist. Egal wie wir uns anstrengen, uns verbiegen oder uns auch nicht mehr verbiegen, es reicht nicht. Es reicht nie. So ist es ja auch. Das ist eine Tatsache. Doch wir reichen, wir sind genug. Sich „Good enough“ auf die Haut zu tätowieren, kann kurz helfen. Muss es aber nicht.

Als ich nach einer freitagabendlichen Eltern-Kinder-Zusammenkunft in einem überteuerten Lokal überreizt und mit sehr viel leererem Geldbeutel heimkomme, bin ich etwas ungemütlich gestimmt. Dann ein Arbeitstreffen am Samstag, schnell anschließend ein Mittagessen gezaubert, das zumindest zwei von drei Kindern schmeckt, um dann eins der Kinder mit der Bahn an den Stadtrand zu einer fetten Eventausstellung mit seinem Freund zu bringen. Leider lief dann vor Ort alles anders als geplant. Ich musste als Begleitung mit in diese Ausstellung und konnte nicht wieder zurückfahren wie gehofft. Die Ausstellung interessierte mich null und leerte aufgrund des unverschämten Eintrittspreises meinen Geldbeutel um ein weiteres. Ich wandelte mit Kopfhörern durch die Ausstellung und fühlte mich wie zuletzt vor vielen Jahren zwischen Sandkiste und Rutsche auf Kinderspielplätzen: gelangweilt und endlos müde. Zerfasert im Kopf, ob all der äußeren Reize und der fehlenden inneren Resonanz. Ich atmete ein und aus. Ich richtete meinen eingesunkenen Körper unermüdlich wieder auf. Meine Laune war im tiefsten Keller. Ausgenommen in den Momenten, wo ich die Gesichter der Jugend leuchten sah, die ein Stück von mir entfernt begeistert durch die Ausstellung liefen. Das war es allemal wert!

Nach der Ausstellung seilte ich mich umgehend von der Jugend ab und versuchte kurz vor Supermarktschluss dort am Stadtrand einzukaufen. Eine ewiglange Schlange wand sich durch den Supermarkt. Ich ging schnurstracks an ihr vorbei und verließ den Laden wieder.  Dann halt keine Milch. Kein Brot. Kein Obst dieses Wochenende.

Ich schleppte mich zur Bahn, stöpselte meine Kopfhörer ins Ohr und da erklang in meinen Ohren eine warme Stimme mit den Worten:

„Smile (…)

Light up  your face with gladness

Hide every trace of sadness

Although a tear may be ever so near“

 

Ich fuhr in der Straßenbahn, ich stieg um in die U-Bahn, ich lief einen großen Umweg nach Hause und lauschte ununterbrochen diesem Song. Immer wieder ließ ich den Song laufen und übergab mich ganz der Musik. Meine Traurigkeit wollte ich, im Widerspruch zum Songtext, allerdings überhaupt nicht verstecken. Ganz im Gegenteil! Meine Augen glänzten, ich wischte alle paar Minuten ein paar Tränen weg – und tat mir selbst so endlos leid. Ich versuchte anfänglich im Kopf mein Leiden in Worte zu fassen, doch ich scheiterte und war mir gewiss am Ende von eh niemandem verstanden zu werden. Aber das war auch nicht mehr wirklich wichtig, denn ICH verstand mich. Und das war jetzt gerade genug.

30-mal den Song „Smile“ gehört, kam ich zurück nach Hause. Ich bereitete das Abendessen zu und fühlte mich ruhig und friedlich. Nichts musste gut sein oder irgendwie passen. Alles konnte gerade so sein, wie es war. Später beim Zähneputzen im Bad kam das Eventausstellungs-Kind zu mir und nahm mich fest in den Arm: „Danke, Mama. Das war einer der schönsten Ausflüge heute. Und danke, dass Du mit in die Ausstellung gekommen bist, damit wir hineingehen konnten.“

 

 

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